Im Limbus


Im Limbus,
der Stadt der Qual erkorenen, fristen die Menschen, die Gino Dambrowski in und um Gera porträtiert, im wandellosen Leid ihr Sein (Dante Alighieri). Die Stadt hat seine Protagonisten ausgespien, sie sind menschlicher Abfall, überflüssig in einer Gesellschaft, die  darauf zielt, ständig mit weniger finanziellem Aufwand und verminderter Arbeitskraft Dinge herzustellen (Zygmunt Baumann). Gera selbst bleibt konturlos, aufgelöst in Schatten und Lichtern, anonyme Struktur. Die Stadt ist ein Kein-Ort, nur ein Draußen oder Drinnen für Dambrowskis Menschen im Schwebezustand: Noch nicht tot, aber auch nicht mehr lebendig unter den Lebenden. Dambrowskis Fotografien fordern auf, diesen verlorenen Kreaturen ins Gesicht zu schauen, rauchend, mit schmutzigen Händen und wirrem Haar. Und immer ist da dieser Blick, der zwingt, trotzt und den unseren sucht. Die Namenlosen – sie sind da, tragen gar ein schmales Lächeln in den Augen.

 

Statt am Schicksal zu verzweifeln, überraschen sie mit prüfendem Blick. Sie haben Kontrolle und Macht über sich nicht verloren und schon gar nicht abgegeben. Das Objektiv des Fotografen dokumentiert ihr tonloses Hoffen ebenso wie ihre brüllende Wut. Gino Dambrowski gelingen Porträts mit ungeheurer Wucht und hoher Sensibilität. Kontrastreich zeichnet er seine Menschenbilder, zumeist in Schwarzweiß, deren Präsenz mitunter den Rahmen zu sprengen droht. Dabei agieren Fotograf und Motiv in großer Nähe und Bezogenheit. Nicht Bewertung, es geht allein um das nackte Menschsein, um Menschlichkeit und die Übersetzung eines haltlosen Seins, das eine extrem flache Bühne erfordert. Eine Gratwanderung zwischen Schärfe und Auflösung, zwischen sozialer Wirklichkeitsdarstellung und ästhetischer Deutung, die Gino Dambrowski eindrucksvoll gelingt.
Ute Reinhöfer, Kultur- und Kunstwissenschaftlerin


Ausstellung ab 14.10.2016 im Thüringer Medienbildungszentrum der TLM in Gera, Webergasse 6/8