Eröffnungsrede


Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Abgeordneter des Europaparlaments für Passepartout und Wechselrahmen! Sie Sind heute nicht gekommen. Das habe ich mir gedacht.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister der Stadt Gera! Sehr geehrter Herr Kulturdezernent! Sie sind heute nicht gekommen. Das habe ich mir – auch gedacht. Aber anders gewünscht.

Ich komme nun zu den Geraer Bürgern, die sich für Kunst und Kultur interessieren. Liebe Anwesende! Auch Sie sind nicht gekommen. Sie sind heute in Weimar zu einem großen Spektakel für Wind und Regen.

Ein besonderes Vergnügen ist es mir deshalb, Sie, die Sie dennoch sehr zahlreich gekommen sind, ganz herzlich begrüßen zu können. Sie sind die wahren Kenner der Kunst, Sie sind die Fans unserer Galerie.

Lassen Sie mich am Anfang  eine Geschichte erzählen. Vor zwei Tagen trafen sich Geraer Bürger, um für die Kunst in dieser Stadt zu kämpfen. Anlass war ein Zeitungsartikel. In ihm stand, dass die Geraer Museen nach dem Willen der Stadtverwaltung zusammengeführt werden sollten. Wer die Museen Geras kennt, hatte dabei etwa folgende Vorstellung: Es gibt da einen Backwarenbetrieb der Brötchen, Brot, Kuchen und Torte produziert. Ein Stück weiter steht eine Molkereifabrik die für Milch, Käse, Quark und Joghurt sorgt. Nun sollen diese beiden Betriebe einen gemeinsamen Direktor bekommen. Was kann da herauskommen? Bestenfalls ein Einheitsprodukt, vielleicht Milchbrötchen?

Die Geraer befürchten mit Recht einen Verlust an künstlerischer Substanz. Das hat Sie auf die Beine gebracht und aus ihren Häusern. Vehement traten sie für die Erhaltung der noch bestehenden Kulturvielfalt ein. Erstaunlich fand ich das und bemerkenswert. Tags darauf  wurde der unerträgliche Satz aus dem Haushaltsanierungsplan  der Stadt gestrichen. Damit ist die Gefahr weiterer drastischer Einsparungen nicht gebannt. Sie alle kennen die Diskussion um Orchester und Theater. Eines hat sich jedoch gezeigt: Aktion hilft!

Fest steht also: die Geraer mögen Vielfalt. Das ist schon die Hälfte der Antwort auf eine Frage, die bisher nicht nicht gestellt ist. Sie könnte etwa lauten: Galerie?? Warum noch eine Galerie?

Die andere Hälfte der Antwort hat etwas mit unserem Programm zu tun, etwas damit, was wir wollen und was wir nicht wollen.

Sehr geehrte Frau Rüdiger, wir wollen keine abgesägten Weihnachtsbäume der Länge 9,47 Meter quer durch unsere Galerie legen.

Sehr geehrter Herr Jakobson, wir wollen kein Kahlaer Porzellan zerschlagen.

Lieber Sven Schmidt, keinesfalls haben wir die Absicht, Ausstellungsräume zu fluten, welcher Art sie auch sein und wie vorzüglich geeignet sie dafür auch erscheinen mögen.

Sehr geehrter Herr Klaus, wir sind nicht die Alteigentümer und erheben keinen Anspruch auf Ihr Haus.  

Sehr geehrte Frau Jedno, Ihr Kaffee hat uns immer gut geschmeckt. Wir mögen ihn auch türkisch, falls Ihnen die Filter eines Tages ausgehen sollten.

Nichts, was besteht, soll überflüssig gemacht werden.

Wir gehören auch nicht zu den Galerien, die sich durch Tricks attraktiver machen und Besucherzahlen erschleichen wollen. Namen darf ich nicht nennen, weil im Offenen Kanal Werbung verboten ist. Sie wissen dennoch wovon ich spreche, wenn ich jene Galerie erwähne, die sich als Untermieter die Geraer Bank in ihr überaus attraktives Haus geholt hat oder eine andere, in deren Keller das Verwaltungsgericht agiert. Eine dritte schließlich hat die überflüssigen Räume ihres neu gebauten Gebäudekomplexes an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vermietet.

All das ist uns fern. Unsere Galerie sei eine Galerie sei eine Galerie.

(Auszug: Rede A. Bley)