Ab 17. Juli sendet das Geraer Bürgerfernsehen der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) in einer fünfteiligen Sendereihe die Aufzeichnungen vom 2. Internationalen Kultur-Musik-Fest [ÜBER]brücken.
Spannende Gesprächsrunden und internationale Rhythmen können die Geraer Zuschauer in den nächsten fünf Wochen auf Kanal 5 im Kabelnetz verfolgen. Denn bei strahlend blauem Himmel und viel Sonnenschein hatten die Bürgerfernsehmacher Anfang Juli den Schritt nach draußen gewagt, um gemeinsam mit Partnern wie dem Freundeskreis für Flüchtlinge, dem Interkulturellen Verein Gera e. V., der TheaterFabrik, der Stadt Gera, dem Brücken-Café, der Produzentengalerie M1 und der Kunstsammlung Gera ein Zeichen für Integration zu setzen. Dazu waren Musiker und Talkgäste aus dem In- und Ausland nach Gera eingeladen worden. Die weiteste Anreise hatte der norwegische Singer-Songwriter Robert Rustad Amundsen, der mit Stimmgewalt, eingängigen Folkmelodien und einer ausgefeilten Spieltechnik das Publikum begeisterte.
Mit der öffentlichen Fernsehproduktion schufen die Bürgerfernsehmacher einen Ort für Begegnung. Es ging darum, Ängste vor dem Fremden abzubauen, Brücken zu schlagen zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen. Viele waren gekommen, um die Talkrunden zu verfolgen, vor allem aber auch der Musik zu lauschen und mitein-ander ins Gespräch zu kommen. Dabei bot Moderator Frank Karbstein in seinen Gesprächsrunden keine leichte Kost. Er packte vielmehr Themen an, die sich mit der Gestaltung einer Willkommenskultur beschäftigten. Wer sich nämlich hierher flüchtete, komme aus Gebieten, in denen weltpolitische Konflikte zu kriegerischen Auseinandersetzungen führten. Eine Familie aus Syrien beispielsweise habe auf ihrer Flucht Traumatisierungen erlitten, gab Pastor Beutel Einblick in seine Arbeit mit Asylsuchenden. Der Flüchtlingsberater Marcel Dragowsky, der in der Gemeinschaftsunterkunft in Gera tätig ist, bestätigte seinerseits, dass Menschen nie freiwillig ihr Zuhause aufgeben würden. Für den Flüchtlingsrat Thüringen äußerte sich Sabine Berninger, Mitglied des Landtages, Die LINKE. Der Flüchtlingsrat setzt sich für die Belange von Asylsuchenden und Flüchtlingen ein, berät Politik und macht Forderungen geltend. Dabei sei gerade ein wesentliches Integrationshemmnis in Thüringen gefallen, in dem die Residenzpflicht auf den ganzen Freistaat ausgeweitet wurde. Aber auch die Menschen, die bereits in zweiter Generation in Deutschland lebten, hätten oftmals ein Problem damit, als Ausländer wahrgenommen zu werden. Sie besäßen einen deutschen Pass und fühlten sich als Deutsche mit Migrationshintergrund, so Sabine Berninger. Mit Blick auf das multikulturelle Leben in Berlin betonte die Migrations- und Integrationsbeauftragte der Stadt Gera, Manuela Andrich, dass Integration in einer Stadt, in der es nur wenige Ausländer gäbe, viel schwieriger sei. Es lebten lediglich 1500 Ausländer in Gera und davon auch nur 150 Menschen, die Asyl suchten. Aus Berlin kommend, hob Jürgen Linke, langjähriger Leiter des Offenen Kanals Berlin, heute im Ruhestand, aber dennoch unterwegs in Sachen kultureller Verständigung über Ländergrenzen hinweg, den besonderen Beitrag zur Integration der Bürgermedien hervor: “Für Bürgerfernsehsender und Bürgerradiostationen ist das Asylrecht nicht maßgeblich. Man muss lediglich polizeilich im Verbreitungsgebiet gemeldet sein, um eigene Sendungen gestalten zu können, dies auch in der jeweiligen Muttersprache. Da ist es völlig egal”, so Jürgen Linke, “ob man Türke, Grieche, Deutscher ist oder von sonst woher komme.”
Tanja Thoss vom Freundeskreis für Flüchtlinge, die maßgeblich das zweite Internationale Kultur-Musik-Fest mit vorbereitet hatte, kritisierte das gesamte Asylbewerberleistungsgesetz. Sie forderte von der Politik, es abzuschaffen.
Eine weitere spannende Diskussion führten der ehemalige Verwaltungsrichter Dr. Bengt Fuchs und die Rechtsanwältin Mirjam Kruppa, die in der Vergangenheit im Gericht gegenüberstehend unterschiedliche Perspektiven auf einen Asylbewerberantrag hatten. Dabei betonte Mirjam Kruppa, dass für sie das Wichtigste die Anwendung der Gesetze sei, auch wenn sie in den mitunter sehr langen Verfahren oft ein enges Verhältnis zu ihren Mandanten entwickele.
Ebenso wie in den Talkrunden, in denen mittels Sprachbeiträgen informiert und sensibilisiert wurde, appellierten die Musikerinnen und Musiker des Trios en passant, Carla Nelson, Cat Henschelmann, Robert Rustad Amundsen und The Core mit ihrer Musik an das Publikum, sich voll und ganz auf die Internationalität von Kultur einzulassen.
Viele Bürgerinnen und Bürger gestalteten gemeinsam mit dem Team des Geraer Bürgerfernsehens die öffentliche Fernsehproduktion. Es gab einen genauen Einsatzplan für die vielen beteiligten Kameraleute, die Cutter in der Bildregie, die Aufnahmeleiter, die Dokuteams, die Tontechniker, die Fotografen und andere wichtige Positionen, die in einer Fernsehproduktion eine Rolle spielen. Mit der öffentlichen Fernsehsendung hat das Geraer Bürgerfernsehen gezeigt: Bürgermedien sind Plattformen für gelebte Demokratie, für Toleranz, für Integration und bürgerschaftliches Engagement. Noch während des 2. Internationalen Kultur-Musik-Festes [ÜBER]brücken entstanden die ersten Ideen für eine dritte Auflage, neue Partner bekundeten ihr Interesse, dabei sein zu wollen und Salsa-Klänge sollen zum gemeinsamen Tanzen im Jahr 2014 einladen.
Das öffentliche Fernsehprojekt [ÜBER]brücken wurde in Trägerschaft des Nichtkommerziellen Lokalradios LOTTE in Weimar produziert und im Rahmen des Bundesprogramms "Toleranz fördern - Kompetenz stärken" vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.