Herbstferien in der Villa Jahr - Offener Fernsehkanal zieht ins Kunsthaus des Lebens


Frau Reinhöfer, was macht das Bürgerfernsehen im Kunsthaus des Lebens?

Wir sind eingeladen worden. Die Idee hat uns begeistert und so lag es nahe, dass wir uns am Projekt beteiligen. Die Kunstschule wird eine ganze Reihe von Kursen, Musik-, Theater- und Filmveranstaltungen anbieten. Das wollen wir natürlich dokumentieren und für die breite Öffentlichkeit aufbereiten. Aber wir planen auch eigene Beiträge, wie zum Beispiel Interviews mit Teilnehmern des Kunsthauses.

Ute Reinhöfer im Gespräch ...

Wie kann man sich das vorstellen?
Als Bürgersender ist es unser Job, Menschen dieser Stadt zu motivieren, ihre Meinung zu bestimmten Sachverhalten zu äußern bzw. ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen. Wir werden in der Villa Jahr das Gespräch zu jedem Mitwirkenden und jedem Besucher suchen und hoffen, dass sich daraus zeitnah neue Begegnungen und Gespräche ergeben. Aber wir sprechen auch jetzt schon im Vorfeld Menschen an, von denen wir glauben, dass sie zum Thema viel beizutragen hätten.

Das Projekt richtet seinen Blick auf sozial benachteiligte Menschen und erfolglose Künstler? Ein wenig bitter für ein Ferienprojekt?
Das ist das Leben, es ist nicht nur heiter und voller süßer sich selbst erfüllender Verheißungen. Zum anderen berührt es eine Fragestellung, mit der wir als Bürgerfernsehen von Anbeginn zu tun hatten. Wir sind quasi gesellschaftlich beauftragt, Randgruppen zu beteiligen und Benachteiligten eine Plattform zu bieten, sich mit ihren Ansichten und Wünschen in die öffentliche Diskussion einzumischen.

Wer interessiert sich für Randgruppen?
Wir sind sehr gespannt und verstehen das Projekt als ein work in progress, also etwas, was sich im Verlauf der Arbeit ein Stück weit auch erst entwickeln wird.

Wer ist für Sie sozial benachteiligt?
Das ist ein weiteres Feld, aber in erster Linie jene Menschen, die von der Gesellschaft keine Perspektive mehr für ein sinnerfülltes Leben geboten bekommen, die mit 30 heute schon abgeschrieben sind. Und natürlich auch Kinder, vor allem diejenigen, die in einem schwierigen, vielleicht sogar gewalttätigen Elternhaus aufwachsen. Ihnen werden Geborgenheit und Aufgehobenheit im elterlichen Schutzraum versagt. Sozial benachteiligt sind für mich aber auch die vermeintlich Erfolgreichen, bei denen sich alles nur noch ums Geld, um Status und um Macht dreht, die ihre Menschlichkeit und die Fähigkeit, sich über ganz einfache Dinge freuen zu können, verloren haben.

Wie wollen Sie das Thema konkret bearbeiten?
Die Kunstschule bietet eine Ausstellung zum Thema „Wer ist hier eigentlich verrückt?“ an. Sie stellt Arbeiten von psychisch beeinträchtigten Menschen, von Künstlern der Outsider Art und etablierten Künstlern wertfrei nebeneinander aus. Wir werden die Besucher fragen, ob sie den Kategorien folgen und wenn ja, woran sie es festmachen. Wir wollen aber auch etwas spielerischer wissen: „Was macht Dein Leben einmalig und verrückt, oder was macht Dich wahnsinnig?"

Welchen Künstler finden Sie persönlich am verrücktesten?
Schwierig zu sagen. Am nachhaltigsten hat mich der österreichische Aktionskünstler Wolfgang Flatz mit einer Performance beeindruckt, bei der er sich selbst wie einen Glockenschlegel zwischen zwei Stahlplatten schwingen ließ. Er hatte sich an den Füßen mit gefesselten Händen aufhängen lassen, und so schlug sein nach unten hängender Kopf jedes Mal bis zur Besinnungslosigkeit hart auf. Diese Form künstlerischer Autoaggression empfand ich als durchaus grenzgängerisch und grenzwertig.

Bietet der Offene Kanal auch Workshops an?
Wir sind ein einziger Workshop, wenn Sie so wollen. Im Moment sind wir mit unseren Nutzern im Gespräch, was wir gemeinsam machen können. Auf jeden Fall werden wir mit dem mobilen Fernsehstudio täglich von 11 bis ca. 15 Uhr in der Villa Jahr sein. Wir werden über die Veranstaltungen berichten, aber natürlich auch Angebote zum Mitmachen unterbreiten. Die Mädchen unserer Jugendredaktion haben sich bereits für eine Ferienaktion angemeldet. Darüber hinaus planen wir Talkrunden.

Danke für das Gespräch.